Backlash

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Backlash (deutsch „Gegenschlag, Rückschlag“) ist eine Bezeichnung für reaktionäre Bestrebungen, die gegen als fortschrittlich erachtete Entwicklungen gerichtet sind, sowie für die Rückkehr konservativer Wertvorstellungen und die Stärkung solcher politischen Kräfte. Nachdem der Begriff Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zunächst für starke negative Reaktionen auf verschiedene politische und gesellschaftliche Entwicklungen angewandt wurde, bezieht er sich im gegenwärtigen US-amerikanischen Sprachgebrauch auf wiederkehrende Bestrebungen einer in der Vergangenheit als privilegiert angesehenen Gruppe von Menschen, neu gewonnene Rechte und Freiheiten einer bis dahin als unterprivilegiert angesehenen Gruppe rückgängig zu machen.[1][2][3]

Backlash gegen die Bürgerrechtsbewegung

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In den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich entstand ab den 1950er Jahren ein Backlash gegen die Errungenschaften und Ziele der Bürgerrechtsbewegung.[4][5] Gegen die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten in Brown v. Board of Education, welche die Rassentrennung an öffentlichen Schulen für verfassungswidrig erklärten, gab es insbesondere in den amerikanischen Südstaaten große Proteste.[6] Im Frühjahr 1956 unterzeichneten führende Politiker aus den Südstaaten das sogenannte Southern Manifesto, ein Protestschreiben gegen die Rassenintegration.[6] Nach der Entscheidung des Supreme Court war die Rassensegregation zwar de jure verboten, de facto gab es in den Jahren nach Brown v. Board of Education verstärkte Bemühungen, weiße Schüler von schwarzen Schülern zu trennen, z. B. indem weiße Schüler hauptsächlich in privaten Schulen unterrichtet wurden, auf die sich das Gerichtsurteil nicht bezog.[6] Einen Backlash gab es auch gegen den Civil Rights Act von 1964 und insbesondere die Executive Order 11246 von Präsident Lyndon B. Johnson, die festgelegte, dass staatliche und staatlich finanzierte Arbeitgeber Personen nicht mehr wegen ihrer Hautfarbe und Ethnizität diskriminieren dürfen und Maßnahmen (Affirmative Action) ergreifen müssen, um Chancengleichheit sicherzustellen.[6]

Anfang der 1980er Jahre manifestierte sich eine von ihren Gegnern als Conservative Backlash bezeichnete Bewegung durch das Erstarken der Neo-Konservativen oder der Neuen Rechten, die im Verlauf der letzten 20 Jahre eine erhebliche Definitionsmacht in der gesamten US-amerikanischen Gesellschaft erreichen konnte.

Antifeministischer Backlash

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Susan Faludi popularisierte den Begriff Backlash in ihrem gleichnamigen Buch (1991). Darin definiert sie die antifeministische Backlash-Bewegung als einen machtvollen Gegenangriff auf Frauenrechte, der darauf zielt, die Erfolge des Feminismus zunichtezumachen.[7] Faludi zufolge war Mitte des 19. Jahrhunderts, um die Jahrhundertwende, sowie in den 1940er und 1970er Jahren jeweils ein antifeministischer Backlash zu verzeichnen, der feministische Bestrebungen zum Erliegen brachte.[8] Dem Feminismus seien die meisten sozialen Probleme, darunter auch die Unzufriedenheit von Frauen[9] sowie Mythen wie der „weibliche Burnout“, die „Krise der Unfruchtbarkeit“ und der „Mangel an heiratsfähigen Männern“, angelastet worden.[1][7]

Die feministische Literaturwissenschaftlerin bell hooks führt aus, dass jegliche tiefgreifende Kritik an patriarchaler Maskulinität die bestehenden Herrschaftsstrukturen bedrohe und einen antifeministischen Backlash erzeuge.[10]

Der Sozialwissenschaftler und Politologe Simon Möller folgert in seiner Studie, dass der Diskurs der deutschen Medien in den 90er Jahren durch einen antifeministischen Backlash gekennzeichnet war. Dieser Backlash habe die Anti-Politische Korrektheits-(PC)-Rhetorik und insbesondere das medial konstruierte Feindbild eines angeblich übermächtigen, lustfeindlichen und „politisch korrekten“ Feminismus sowie das vermeintliche Phänomen einer „sexuellen Korrektheit“ (SC) instrumentalisiert. „Sexuelle Korrektheit“ fungiere dabei als Teil des Anti-PC-Diskurses mit dem speziellen Angriffsziel Feminismus. Bei diesem antifeministischen Backlash handele es sich um einen „hegemonialen Offensivdiskurs“, der versucht, emanzipatorische Bestrebungen als „politisch korrekter“ Nonsens lächerlich zu machen oder zur Gefahr zu stilisieren und frauenfeindliche Positionen zu normalisieren. Die Anti-PC- und Anti-SC-Kampagnen seien männliche Legitimationsstrategien zur Wahrung materieller und sozialer Vorteile gegenüber Frauen. Dem Anti-SC-Diskurs komme dabei insbesondere die Funktion zu, „von dominanter Seite zur Festigung des patriarchalen Konsenses, d. h. zur Herstellung von Akzeptanz gegenüber strukturellen Machtasymmetrien im Geschlechterverhältnis“ beizutragen.

Der antifeministische Backlash folgt nach Möller bestimmten Mustern:[11][12][13]

  • Sexismus und sexuelle Gewalt wird erotisiert, trivialisiert sowie singularisiert;
  • eine Täter-Opfer-Umkehr findet statt;
  • die Existenz sexistischer Dominanzverhältnisse wird bestritten;
  • eine feministische Hegemonie an den Universitäten, in den Medien und im Kulturbereich wird suggeriert; und
  • der Begriff „Feminismus“ wird stigmatisiert.

In seiner diskursanalytischen Untersuchung vermutete John K. Wilson ähnlich wie Simon Möller, dass es sich bei der Debatte über politische Korrektheit und insbesondere sexuelle Korrektheit in den Medien um einen Backlash gegen den Feminismus handelt.[14]

Anti-„PC“-Kampagne

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Als eine wichtige Backlash-Strategie wird die „anti-Politische Korrektheits-(PC)“-Kampagne angesehen.[15][16] Emanzipatorische Bewegungen und egalitäre Veränderungen sollten damit zurückgedrängt werden.[17] Insbesondere habe sich der Widerstand gegen die „Multikulturelle Gesellschaft“ gerichtet. Mit der Kampagne sei eine Furcht vor einer Unterwanderung, „Balkanisierung“ und letztlich Auflösung der „gemeinsamen“ amerikanischen Kultur als Folge der Forderung nach einer größeren kulturellen Vielfalt geweckt worden. Es sei darum gegangen, was als nationale Norm angesehen werden sollte. Als politische Strategie habe man sich mit Bezug auf das Schlagwort „politisch korrekt“ linke Begrifflichkeiten angeeignet, deren Bedeutungen man entleert und mit eigenen Normvorstellungen versehen gegen alles gewendet habe, was den traditionellen Vorstellungen vom „Schmelztiegel“ und dem westlichen Gedankengut widersprach. Alles, was nicht den tradierten Vorstellungen vom „amerikanischen weißen Mann“ entsprach, habe als „politisch korrekt“, un-amerikanisch und un-demokratisch gegolten. Wer diese „amerikanischen“ Normen kritisieren oder verändern wollte, habe als „intolerant“ und „gleichmacherisch“ gegolten, „Zensur“ ausgeübt, die amerikanische Gesellschaft mit „PC/MC“ infiziert oder sich wie die „Sturmtruppen“ verhalten. Konservative verwendet das Schlagwort „PC“, um sich als Opfer einer politisch korrekten, allmächtigen, linken „Zensur“ darzustellen.[18] Die „PC“-Kampagne stehe in einer Geschichte von Kämpfen um das, was „amerikanisch“ sein solle und was nationale Identität ausmache. Die Kampagne sei als ein Ausdruck der Krise der Identität der amerikanischen Gesellschaft gewesen. Ihre Motivation und ihre Heftigkeit sei diesem Kampf um nationale Identität entsprungen.

Ariane Manske hat die Entstehung und Entwicklung der US-amerikanischen Debatte um politische Korrektheit untersucht und festgestellt, dass es sich bei dieser Debatte um einen konservativen Backlash handelt, der liberale Reformvorhaben wie Affirmative Action und speech codes (im Sinne von nicht-diskriminierenden Sprachregelungen) verhindern sollte. Konservative Kräfte benutzten „politische Korrektheit“ als „Oberbegriff für unterschiedliche liberale Reformvorhaben im gesellschaftlichen und universitären Bereich“ und diffamierten die politisch korrekten Liberalen als extremistisch. So charakterisierte die US-amerikanische Antifeministin Camille Paglia „politische Korrektheit“ als „Faschismus der Linken“ („fascism of the left“) und die Menschen, die ihm anhingen, verhielten sich Paglia zufolge „wie die Hitlerjugend“ („like the Hitler Youth“).[19][20]

Die Politikwissenschaftlerin Katrin Auer analysierte mehrere Forschungsergebnisse zur Anti-„PC“-Debatte und kommt zu dem Schluss, dass die ideologischen Funktionen des Anti-„PC“-Diskurses ein antifeministischer Backlash, die Re-Etablierung antisemitischer Codes sowie die Enttabuisierung rassistischer und revisionistischer Inhalte sind. Unter dem Phänomen „Political Correctness“ werde eine Reihe emanzipatorischer und linker Maßnahmen und Theorien subsumiert und diffamiert. Eine wesentliche Funktion des Diskurses sei die Möglichkeit, antifeministische, rassistische, antisemitische und andere diskriminierende Äußerungen wieder tätigen zu können, ohne dabei wesentliche Sanktionen befürchten zu müssen. Innerhalb des Anti-„PC“-Diskurses seien insbesondere re-patriarchalisierende und re-maskulinisierende Tendenzen zu erkennen. Dazu schreibt Auer:[21]:

„Generell ist die Ausrichtung des Anti-„PC“-Diskurses von Re-Patriarchalisierungs- und Normalisierungstendenzen geprägt. Unter dem Begriff der Re-Patriarchalisierung sind hier nicht nur sämtliche sexistische und antifeministische Intentionen zu fassen, sondern ebenso (neo-)rassistische, antisemitische, nationalisierende, homophobe und prinzipiell homogenisierende Bestrebungen, die die umfassende Restauration westlich-patriarchaler Ordnungsmodelle zum Ziel haben.“

„Backlash“ und die politische Entwicklung der USA

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Im Online-Magazin Politico wurde das Phänomen des Backlash als Folge eines in der Vergangenheit oft kompromisslosen progressiven Aktivismus und fehlender Debattenkultur erklärt: Wiederholte linksliberale Erfolge in der Gesellschaftspolitik (zu Themen wie Abtreibung, Gleichgeschlechtliche Ehe oder Transgender-Rechten) würden in der öffentlichen Debatte von „Verachtung über rechtsgerichtete Steinzeit-Ansichten“ begleitet. Das linksliberale Amerika spreche der politischen Rechten generell politische Legitimität und intellektuelle Integrität ab. So bezeichnete etwa Hillary Clinton die Zielgruppe ihres Gegners als „Klägliche“ (deplorables). Der „ungebremste soziale Aktivismus“ der letzten Jahre und Jahrzehnte habe bei vielen Amerikanern zu einer Frustration über die De-Legimitierung ihrer eigenen Lebensweise geführt. Diese Frustration habe die Wahl von Donald Trump erst ermöglicht.[22]

Ähnlich argumentiert der Politologe Peter Beinart: Die Erfahrungen der 1930er- und 1960er-Jahre zeigten im US-amerikanischen Kontext zwar deutlich, dass linker Aktivismus zu großen Reformen führen könne. Durch diese Reformen würden jedoch Kräfte freigesetzt, die vielen Menschen als chaotisch erscheinen, und sich beispielsweise in den Rassenunruhen der 1960er-Jahre entladen hätten. Dies wiederum begünstige eine rechte, auf Law and Order ausgerichtete Gegenbewegung.[23] Allerdings wird in der jüngsten Zeit auch ein Backlash in die Gegenrichtung beobachtet: Als Reaktion auf Trumps Politik sei, so der CNN-Journalist John Blake, ein progressiver Backlash, der so genannte „Trumplash“, zu erwarten. Insbesondere junge Menschen, Frauen und Angehörige von Minderheiten würden sich nun stärker politisch engagieren und am Aufbau einer dauerhaften politischen Koalition für die Demokratische Partei mitwirken.[24]

Einzelnachweise

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  1. a b Jeffery Scott Mio et al.: Key Words in Multicultural Interventions: A Dictionary. Greenwood Press, Westport, Connecticut, 1999, S. 27: "In contemporary American usage, the term backlash appears to refer to recurring attempts by a privileged class to rescind recently won rights and liberties gained by an underprivileged group or class."
  2. J Mansbridgea, SL Shames: Toward a Theory of Backlash: Dynamic Resistance and the Central Role of Power. In: Politics & Gender. 4, Nr. 4, Dezember 2008, S. 623–634. doi:10.1017/S1743923X08000500.
  3. K Sanbonmatsu: Gender Backlash in American Politics? In: Politics & Gender. 4, Nr. 4, 2008, S. 634–642. doi:10.1017/S1743923X08000512.
  4. Glenn Feldman: Before Brown: civil rights and white backlash in the modern South. University of Alabama Press, Tuscaloosa 2004, ISBN 978-0-8173-1431-6, S. 2 ff.
  5. Roger L. Hewitt: White Backlash and the Politics of Multiculturalism. Cambridge University Press, Cambridge 2005, ISBN 978-0-521-81768-4, S. 18 ff.
  6. a b c d John Fobanjong: Understanding the Backlash Against Affirmative Action. Nova Science Publishers, Huntington / New York 2001, ISBN 978-1-59033-065-4, S. 8. ff.
  7. a b Susan Faludi: Backlash: The Undeclared War against American Women. Crown, New York, 1991, S. xviii: “The truth is that the last decade has seen a powerful counterassault on women’s rights, a backlash, an attempt to retract the handful of small and hardwon victories that the feminist movement did manage to win for women.
  8. Faludi zitiert in: Lorraine Code: Encyclopedia of feminist theories. Routledge, London, New York, 2000, S. 37: “A struggle for women’s rights gained force in the mid-nineteenth century, the early 1900s, the early 1940s and the early 1970s. In each case, the struggle yielded to backlash.
  9. Susan B. Boyd, Dorothy E. Chunn, Hester Lessard: Reaction and Resistance: Feminism, Law, and Social change. University of British Columbia Press, Vancouver, 2007, S. 99: “Faludi found that feminism was being blamed for most social problems, including the unhappiness and dissatisfaction of women themselves.
  10. bell hooks zitiert in: Mary F. Rogers, C. D. Garrett: Who’s Afraid of Women’s Studies?: Feminisms In Everyday Life. AltaMira Press, Walnut Creek, California, 2002, S. 128: “Any profound critique of patriarchal masculinity that touches the minds and hearts of men of all ages in our culture threatens patriarchy in such a way that it engenders fierce backlash.
  11. Simon Möller: Sexual Correctness: Die Modernisierung antifeministischer Debatten in den Medien. Leske + Budrich, Opladen 1999, ISBN 3-8100-2301-9.
  12. Simon Möller: Operation gelungen In: der Freitag, 2003, abgerufen am 27. Dezember 2010.
  13. Rolf Löchel: Freiheit oder Feminismus: Antifeminismus in den Printmedien Abgerufen am 27. Dezember 2010.
  14. John K. Wilson: The Myth of Political Correctness: The Conservative Attack on Higher Education. Duke University Press, Durham 1995, ISBN 0-8223-1713-3, S. 109 ff.
  15. Steven Vertovec und Susanne Wessendorf: The Multiculturalism Backlash: European Discourses, Policies and Practices. Routledge, London 2010, ISBN 978-0-415-55648-4, S. 13: "In addition to the typical themes developed whiting the content of backlash arguments, there is also a common set of stratagems or discursive maneuvers […] Another significant maneuver entails the accusation of political correctness."
  16. B Bagilhole: Understanding Equal Opportunities and Diversity: The Social Differentiations and Intersections of Inequality. Policy Press, Portland 2009, ISBN 978-1-86134-849-4, S. 72.
  17. S McIntyre: Backlash against Equality: The «Tyranny» of the «Politically Correct». In: McGill Law Journal. 38, Nr. 1, 1993, S. 1–63.
  18. K Aoki: The Scholarship of Reconstruction and the Politics of Backlash. In: Iowa Law Review. 81, Nr. 5, 1996, S. 1467–1488.
  19. Ariane Manske: Political Correctness und Normalität. Die amerikanische PC-Kontroverse im kulturgeschichtlichen Kontext. Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren, Heidelberg 2002, ISBN 3-935025-33-5.
  20. Rolf Löchel: Political Correctness – more frightening than the old McCarthyism. literaturkritik.de; abgerufen am 21. Dezember 2010.
  21. Katrin Auer: „Political Correctness“ – Ideologischer Code, Feindbild und Stigmawort der Rechten. (Memento vom 2. Juli 2013 im Internet Archive) (PDF; 103 kB). In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, Band 31, Nr. 3, 2002, S. 291–303.
  22. Rob Hoffman: How the Left created Trump Politico, 20. November 2016, abgerufen am 7. November 2019
  23. Peter Beinart: Will the Left go too Far? The Atlantic, 1. Dezember 2018, abgerufen am 7. November 2019
  24. John Blake: Trump is doing what Obama couldn't CNN, 23. August 2019, abgerufen am 7. November 2019